Sonntag, 10. Mai 2020

Warum sich alleine reisen lohnt


Vor ein bisschen mehr als einem Jahr hatte ich die Wahl: Zuhause bleiben oder alleine verreisen. Ich war fertig mit der Schule, kannte aber niemanden, der zur gleichen Zeit wie ich reisen konnte oder wollte. Zuerst war ich mir unsicher, ob ich alleine reisen sollte. Die Vorstellung ganz alleine an einem fremden Ort zu sein, ohne Leute, die ich kannte, war unheimlich und machte mir Angst. Schlussendlich bin ich dann doch über meinen Schatten gesprungen - und es war die beste Entscheidung, die ich je getroffen habe!

Ich erinnere mich noch sehr gut an die ersten Momente, in denen ich plötzlich alleine dastand. Ich war, bevor ich nach Spanien flog, mit zwei Freundinnen in Rom und als ich mich von ihnen verabschieden musste, um zum Flughafen zu fahren, fühlte ich mich sehr seltsam. Zum einen war ich voller aufgeregter Vorfreude, gleichzeitig war da aber auch angstvolle Nervosität, die sich nicht abschütteln liess. Ich sass im Zug und sah das nächtliche Rom an mir vorbeiziehen und mir war klar, dass die nächsten drei Monate entweder die besten meines Lebens oder richtig schrecklich werden würden. 

Am Flughafen angekommen suchte ich mir ein Schlafplätzchen, da mein Flug erst in den frühen Morgenstunden ging und fühlte mich dabei richtig unabhängig aber halt eben auch alleine. Wenn ich auf der Toilette meine Zähne putzen wollte, musste ich meinen riesigen Rucksack mitschleppen. Wenn ich schlafen wollte, musste ich das Risiko eingehen, dass mir etwas gestohlen wird, da ja niemand da war, um auf meine Sachen aufzupassen - ausser ich selbst. Aber ich überstand die Nacht ohne Probleme und dann sass ich auch schon zum ersten Mal alleine in einem Flugzeug.

Diese erste Reise war voller erster Male für mich. In Malaga übernachtete ich zum ersten Mal in einem Hostel. Als ich ankam, wusste ich nicht so genau, was denn nun das richtige Verhalten war, um meine Zimmergenossinen zu begrüssen. Sagte ich bloss hallo? Stellte ich mich vor? Glücklicherweise begrüssten mich die zwei anwesenden Frauen voller Wärme und luden mich gleich darauf ein, abends mit ihnen essen zu gehen. Meine grosse Angst vor dem einsam sein wurde dadurch im Keim erstickt.

In Spanien arbeitete ich danach via Workaway zuerst in einem Yoga Retreat und danach in einem Hostel mitten in der Stadt und in beide Orte habe ich mich total verliebt. Wann immer ich wollte, hatte ich Menschen um mich - aber wenn ich mal ein bisschen Zeit für mich alleine brauchte, war das auch stets möglich. Und ich glaube, das ist der grösste Vorteil am alleine reisen. Diese Freiheit zu tun, was man möchte, ohne Rücksicht auf andere zu nehmen. Die Möglichkeit mal einen ganzen Tag alleine zu verbringen. Feiern gehen, wann man will. Drin bleiben und früh schlafen, wenn man einfach wieder einmal ein bisschen mehr Schlaf braucht.

Natürlich sind diese Dinge auch möglich, wenn man mit einer anderen Person oder sogar in einer kleinen Gruppe reist. Aber gleichzeitig muss man dort seine Bedürfnisse manchmal auch zurückstecken. Und dass ich das nicht tun musste, habe ich unglaublich genossen.

Zum Abschluss meiner Spanienreise habe ich mich dann mit dem Zug und einem Interrailticket auf den Nachhauseweg gemacht. Und das Schöne am alleine reisen ist, dass man viel öfters angesprochen wird, als wenn man in Gruppen unterwegs ist. Vielleicht liegt es daran, dass es weniger Mut braucht, eine einzelne Person anzusprechen. Vielleicht auch nicht. Aber Fakt ist, dass ich im Zug oft mit Locals ins Gespräch kam, die sich nach meinem grossen Rucksack erkundigten. Und auch in Cafés und am Strand und manchmal sogar mitten auf der Strasse lernte ich Leute kennen, mit denen ich teilweise interessante Diskussionen führte, bevor wir uns wieder verabschiedeten.

Auch vor meiner zweiten Reise, die ich alleine antrat, fühlte ich mich wieder ein bisschen nervös. Zwar wusste ich, dass ich in Spanien nie einsam war. Trotzdem machte ich mir erneut Sorgen. Sorgen, dass ich niemanden Nettes treffen würde. Sorgen, dass ich mehrere Monate am Stück keine tiefen Gespräche führen würde. Und dann kam ich in Singapur an und meine Sorgen verflogen praktisch augenblicklich. Denn wenn das Reisen mir eines gezeigt hat, dann ist es, dass die meisten Menschen viel offener sind, als man vielleicht erwarten würde. Offener und freundlicher und interessanter.

Ich habe auch auf meiner zweiten Reise unzählige Leute kennengelernt, stundenlang mit ihnen geredet und viele unvergessliche Momente mit ihnen geteilt. Und ich war oft alleine, habe Zeit mit mir selbst verbracht und es genossen komplett frei zu sein.

Beim alleine reisen lernt man viel über andere Menschen und über sich selbst. Man lernt sich selber besser kennen, merkt, was einem wichtig ist und worauf man seine Zeit verwenden will. Man verändert sich, wird selbstständiger und offener. Und genau darum lohnt sich alleine reisen.

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